Meine Eltern haben sich in Moskau kennen gelernt. Meine Mutter nahm dort an einem wissenschaftlichen Austauschprogramm der Föderation teil. Um auf der Erde und bei ihrem Geliebten bleiben zu können, trat meine Mutter dann aus dem vulkanischen Staatsdienst aus. Kaum zu glauben, aber eine sehr emotional geprägte Entscheidung.
Kein Wunder, dass auch ich meine Emotionen nur sehr bedingt unterdrücken kann. Ich bin lediglich zur Hälfte Vulkanier und ich muss gestehen, dass es ab und an ganz praktisch ist, die Emotionen einfach außen vor zu lassen.
Mein Vater war Wartungstechniker in einem Bergbaubetrieb. Man sollte meinen, das wäre ein harter Job gewesen. Aber mein Vater meinte immer 'Da musst du nur hinter einer Panzerglasscheibe sitzen und Knöpfe drücken.' Dass er Chef der Wartung war, hatte ich schon erwähnt?
Wie dem auch sei, ich sollte an dieser Stelle ein wenig mehr von mir erzählen.
Also ich wuchs in einem Arbeiterviertel am Stadtrand von Moskau auf. Meine Eltern, meine Schwester und ich bewohnten ein Vier-Zimmer-KüBa-Apartment. Mehr stellte uns die Wohnungsverwaltung des Bergbaukonsortiums nicht zur Verfügung. Der Platz reichte gerade so aus zum Leben, weshalb ich auch die meiste Zeit meiner Kindheit und später auch Jugend auf der Straße verbrachte. Abgesehen vom Schulbesuch natürlich.
Warum mich alle John nennen? Na ja, eigentlich ist mein richtiger Name Jonathan. Aber das war den Kindern auf der Straße einfach zu lang gewesen. Eine einfache Arbeitergesellschaft brauchte einfache Namen, also nannten mich meine Spielkameraden irgendwann nur noch John und das hat sich bis heute nicht geändert. Bis auf die Tatsache, dass meine Spielkameraden inzwischen meine Kollegen sind.
Mit 15 hatte ich eigentlich keine Lust mehr auf die Schule. Von daher entschloss ich, genug gelernt zu haben und mal ordentlich Geld zu verdienen. Das schmeckte meinen Eltern natürlich überhaupt nicht. Ich sollte es schließlich mal besser haben als sie. Ich halte das noch heute für eine leere Floskel. Unsere Familie war zwar nicht stinkreich, aber es fehlte uns an nichts, was wir zum Leben gebraucht hätten.
Die Verärgerung meiner Eltern über meine Entscheidung war wohl auch der Auslöser, warum ich zu Hause abhaute. Ich besorgte mir also ein Ticket und machte mich auf in die neue Welt. Weit weg von zu Hause. Ich schätze, meine Eltern sind immer noch besorgt, warum ich aus der Schule nicht zurückgekommen bin.
Von einigen zweifelhaften Freundschaften mal abgesehen, profitierte ich ganz besonders von einem gewissen Dr. Christian Alfred Leonhard. Er war Mediziner auf einem Frachtschiff der Handelsmarine. Ob er wirklich einen Doktortitel hatte, weiß ich bis heute nicht. Aber abgesehen davon, dass er seinen Job hervorragend machte, besorgte er mir einen Posten als Hilfsmaschinist auf seinem Schiff, der USS Darwin.
Obwohl ich keine Ahnung hatte, machte ich meine Arbeit recht ordentlich. Zumindest hatte mein Chef, ein gewisser Lawrence Barner, keinen Grund zum Klagen. Ich bin mir sicher, man hätte mich sofort auf dem nächsten Planeten rausgeschmissen, wenn man mit mir nichts hätte anfangen können.
Bis, ja bis Lawrence bei einem Unfall sein Leben und ich meine linke Hand verlor. War 'ne echt dumme Sache, aber so ist das nun mal, wenn man nicht die nötigen Mittel zur Wartung eines Antriebs zur Verfügung hat. Der Konkurrenzdruck der Ferengi war im Handelssektor eben enorm und da wurde halt gespart, wo es nur ging. Meistens auf Kosten der Besatzung.
Ein Gutes hatte der Unfall allerdings. Ich bekam eine nagelneue Hand und ich wurde, zwar aus der Not geboren, aber immerhin, zum Cheftechniker befördert.
Wie auch immer, mit der Zeit wurde der Erfolgsdruck immer größer und das Latinum immer knapper. Da ich nicht so enden wollte wie Lawrence, musterte ich bei der Handelsflotte ab und stieg erstmal in San Francisco ab. Ich hörte vor einigen Wochen, dass die Darwin mit einem Maschinenschaden im All verschollen ist. Vermutlich zerschellte sie auf irgendeinem namenlosen Planeten. Ich hoffe nur, dass sich die Besatzung noch retten konnte. Sie war mir trotz allem ans Herz gewachsen.
Doch zurück zu mir. In San Francisco Arbeit zu finden, war nicht schwer. Allerdings nur, wenn man nicht allzu hohe Ansprüche an seinen Lebensstandard stellte. Allerdings war eine Rückkehr nach Moskau für mich auch keine Alternative mehr. Ich hatte gehört, dass mein Vater inzwischen ums Leben gekommen war, und meine Mutter daraufhin nach Vulkan zurückgekehrt war.
Nachdem ich mich eine Weile mit einigen Tellerwäscherjobs über Wasser gehalten hatte, hörte ich, dass die Föderation, also die Sternenflotte, fähige Techniker suchte. Da man in den unteren Rängen keine Aufnahmeprüfung machen musste und ich mit einigem an Erfahrung aufwarten konnte, wurde ich sogar genommen.
Und wer weiß... vielleicht würde ich nun, da ich diese hübsche Sternenflottenuniform trage, sogar in meiner Familie wieder Willkommen sein.
Das Personalamt der Sternenflotte entschied, dass es auf der USS Shenandoah noch einen freien Platz als Techniker für mich gab und versetzte mich ohne großartig nachzufragen auf eben jenes Schiff. Die USS Shenandoah war seinerzeit ein Schiff der Bradbury-Klasse. Mein Abteilungsleiter war ein gewisser LtCmdr Damon Hanju.
Die technische Abteilung gefiel mir eigentlich auf Anhieb. Ich hatte ja bereits damals im Bergbaubetrieb, in dem mein Vater arbeitete, eine Menge über Technik gelernt und ich hoffte, dieses Wissen nun einsetzen zu können.
Die erste Mission, die ich mit der Shenandoah mitmachte, führte uns zu dem Planeten Ukashan. Dort gab es einen Beobachtungsposten der Föderation, zu dem offenbar der Kontakt abgebrochen war. Auf diesem Planeten machte ich das erste Mal Bekanntschaft mit einem gewissen Shensu, einem ehemaligen Wissenschaftler, der bei der Föderation in Ungnade gefallen war. Damals machte ich einen großen Fehler, vermutlich den größten Fehler meines Lebens und dieser Fehler kostete jemandem das Leben. Da dieser Fehler letztlich ungeahndet blieb, habe ich bis heute an seiner Last zu tragen. Mein größter Fehler war es, dem Einfluss Shensus zu verfallen und ihn aus seiner Arrestzelle zu befreien.
Shensu übernahm die Kontrolle über das Schiff und wäre der Kommandierende Offizier nicht eine Handbreit gerissener gewesen als sein Gegenspieler, Shensu hätte das ganze Schiff zerstört und ich würde diese Zeilen jetzt nicht schreiben können. Baldoon, so hieß seinerzeit mein Kommandierender Offizier, gewann und rettete das Schiff und seine Besatzung. John Scott mauserte sich zu einem etwas besseren Techniker, erfüllte jedoch nur selten die an ihn gestellten Erwartungen.
Statt sich mit den technischen Systemen des Schiffes zu beschäftigen, wurde ich immer öfter in den Räumen der Wissenschaft gesichtet. Als man mich schließlich zu einer Außenmission einteilte und ich dort eine ungemein spannende Entdeckung machen durfte, war es um mich geschehen. Ich hatte meine wahre Berufung gefunden und nach meiner Rückkehr an Bord hatte der Captain mein Versetzungsgesuch auf dem Tisch. Ich wurde also Wissenschaftler.
Dann passierte etwas, womit keiner gerechnet hatte. Zuerst wurde ich durch meinen neuen Abteilungsleiter für die Beförderung zum Chief vorgeschlagen und dann geriet die USS Shenandoah in einen Zeitstrudel und sog mich, das Schiff, die ganze Crew und vermutlich auch jede Menge Weltraumstaub 500.000 Jahre in die Vergangenheit.
In der Vergangenheit stellten wir fest, dass der Strudel nur in eine Richtung funktionierte und letztlich blieb uns nichts anderes übrig, als die Zeit in einer Art Stasis zu überdauern. Das ist der Grund, warum ich jetzt weit über 500.000 Jahre alt bin und warum ich vermutlich zu den ältesten Geschöpfen dieses Universums zähle.
Für die anschließende Mission war ein mehr als 500.000 Jahre altes Schiff genauso wenig zu gebrauchen wie eine über 500.000 Jahre alte Besatzung. Während einige Besatzungsmitglieder zurückblieben, um das unter Massen von Sand und Staub begrabene Schiff wieder auszubuddeln, machte sich der Rest der Crew auf, um ein in einer Corona gestrandetes Schiff zu bergen. Ich brauche ja nicht zu erwähnen, dass das sicher eine ganz heiße Mission wurde. Eine heiße Mission, in der man mich vermutlich mangels Alternativen zum Chefwissenschaftler machte. Eine Entscheidung meines Captains, die ich bis heute nicht nachvollziehen kann. Zumal ich während dieser Mission alles andere als zurechnungsfähig war. Der Weggang meines Abteilungsleiters und einiger Freunde berührte mich derart emotional, dass ich dem Alkohol verfiel. Nur das schnelle und besonnene Handeln meines Kommandierenden Offiziers verhinderte schlimmeres.
Es dauerte nicht lange und mit einem neuen Schiff, also ich meine neu im Vergleich zu dem 500.000 Jahre alten Topf, der vermutlich noch immer unter Massen von Staub begraben war, einer neuen Besatzung, einem neuen Captain und mit einem Chefwissenschaftler samt Offizierspatent, machten wir uns auf zu einem ziemlich ungemütlichen Planeten. Ein ungemütlicher Planet, auf dem ein neuer Feind auf uns wartete. Ein Feind, von dem die Besatzung der Shenandoah lange nichts gehört hatte. Ein Feind, welcher aus den eigenen Reihen stammte. Es ging darum, eine Forschungsbasis der Pure Federation zu infiltrieren.
Alles lief mal wieder auf einen Kampf heraus. Ein Kampf, der die Zerstörung der Basis als Folge haben sollte, ein Kampf, aus dem die Crew der Shenandoah diesmal als Sieger hervorgehen sollte. Eine Mission, in der ich meine große Liebe kennen lernte. Ja gut... ich hab das jetzt mal für euch Menschen angepasst. Also unter uns Vulkaniern nennt man das seelische Verwandtschaft. Ich muss zugeben, dass ich mit Robin McNeill, so hieß die Angebetete, überhaupt nicht klar kam. Für Robin war ich viel zu unvulkanisch und sie war für mich viel zu reserviert, viel zu unemotional. Außerdem war ich Offizier und sie Crewman. Kurz gesagt, wir passten überhaupt nicht zusammen.
In dem Urlaub nach der Mission kamen wir uns jedoch erstmalig näher. Robin zeigte mir ihren Meditationsstein und, na ja, nach unserer ersten gemeinsamen Meditation, war es dann um uns geschehen. Ich brauche ja nicht zu erwähnen, dass ich seit dem Tag versuche, einmal zum Vulkan zu reisen, um mir einen eigenen Meditationsstein aus dem Fels zu hauen. Leider ist es mir bis heute nicht gelungen und so blieb mir und Robin nur die gemeinsame Meditation. Ich kann ehrlich nicht sagen, dass ich darüber traurig wäre.
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